Nachdem Jan Vlamynck über aegee-hh-l eine kurze Schilderung des ersten AEGEE-Agé-Stammtisches geschickt hat, möchte ich noch einen
kurzen Erfahrungsbericht aus der Sicht eines Noch-nicht-Ehemaligen liefern.
Falls ich in einzelnen Punkten etwas übertrieben habe, möge man mir das bitte
verzeihen.
Ich betrete das "September" und werde sogleich vom AEGEE-Agé-Vorsitzenden
empfangen, der mir auch sofort einen Mitgliedsantrag unter die Nase hält. Da
mich die Masse erwartungsvoll anschaut und ich denke, daß Kontakte zu den
Ehemaligen nicht schaden können, fülle ich das Formular pflichtbeflissen aus.
Der Vorsitzende nimmt das Blatt entgegen und streicht mit einem tadelnden Blick
beim Eintrittsdatum in AEGEE die 95 weg und setzt dafür ein 85 ein. Man sei hier
ja nicht schließlich bei AEGEE-Youth läßt er mich mit einem altväterlichen
Lächeln wissen.
Ich frage einen Ehemaligen, was sein erster Event gewesen
sei, worauf er erwidert, daß es die Agora im Herbst 1985 in Leipzig gewesen sei.
Darauf mischt sich ein anderer ein und sagt: "Ne, die Agora war nicht in Leipzig
sondern in Prag". Genüßlich lehne ich mich zurück. Die beiden sind erstmal aus
dem Rennen, da sie fortan damit beschäftigt sind, diese Fakten auszudiskutieren.
Darauf werde ich Zeuge eines angeregten
Anekdoten-Austauschs:
Veteran 1: "Ach, was seid Ihr doch verwöhnt! Wir
hatten damals noch kein E-Mail. Die Kommunikation mit den anderen Antennen lief
nur über Fax. Das war immer ein Riesen-Aufwand, zu der Person zu fahren, die das
Faxgerät zu Hause hatte." Veteran 2: "Oh, Ihr Glücklichen! Ihr hattet ein Fax?
Wir mußten alles telefonisch regeln." Veteran 3: "Ihr
hattet Telefon?" Veteran 1: "Und Infopost war damals auch nicht. Dafür hatten wir
kein Geld. Wir haben die Newsletter noch persönlich zugestellt. Auch wenn der
Schnee meterhoch lag. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich mir dabei
Erfrierungen dritten Grades zugezogen habe." Darauf werfe ich spöttisch
ein: "Und getrunken habt Ihr wahrscheinlich nur
Frostschutzmittel?" Veteran 1: "Du läßt mich ja nicht
ausreden!" Veteran 2: "Außerdem hatten wir damals kein Büro, nicht einmal
einen Raum in der Uni. Wir haben uns immer in einer zugigen Ecke vor dem
Phil-Turm getroffen. Unsere Notizen haben wir dann mit klammen Fingern auf den
Rückseiten von Fehlkopien des Kopierladens Uni-Copy gemacht. Unser einziger
Sponsor übrigens." Veteran 3: "Wann war denn das?" Veteran 2: "Laß mich
überlegen. 19-Hundert..., äh...jetzt fällt es mir wieder ein: 1985 oder 86 muß
das gewesen sein." Veteran 4: "Vor oder nach Christus?" Veteran 5: "Ach, was
hätte ich darum gegeben, ein Büro zu haben! Nur um sich zwischen den
Infotisch-Schichten ein bißchen aufzuwärmen. Wir durften nämlich nur draußen
Infotische aufstellen und das auch nur im Winter, weil wir als
Studentenorganisation nicht anerkannt waren. Europa war damals nämlich noch
verfehmt." Veteran 4: "Aber die heutige Generation weiß so etwas gar nicht zu
schätzen. Die nehmen das als völlig selbstverständlich hin."
Schließlich hat man mich
vollends davon überzeugt, daß früher alles besser und heroischer gewesen ist und
ich ziehe daher meinen geordneten Rückzug an. Beim Rausgehen höre ich vom
weitem noch einen Veteranen verzweifelt rufen: "Und die Agora war doch in
München!" Ich schwinge mich auf mein Fahrrad, daß ich 1996 nach dem Presidents'
Meeting in Timisoara gekauft habe. Oder war es doch 1994?
Nachdem ich gegangen war,
ereignete sich folgendes: Veteran 6: Die Vorständler von heute sind auch nicht
mehr das, was sie mal waren. Veteran 7: Und die Antennen sind auch nicht mehr
das, was sie mal waren.... Veteran 8: Und die Frauen bei AEGEE sind auch nicht
mehr das.... Plötzlich betritt eine blonde üppige Vorständlerin die Kneipe und setzt
sich dazu. Darauf betretende Stille. Veteran 6: Aber die
Antennen sind wirklich nicht mehr das, was sie mal waren.